Neue Lüftlmalerei in Weilheim

27.11.2017

Der Altettaler Michael Wörle (Absolvia 1993) hat eine Lüftlmalerei an einer Fassade auf dem Marienplatz im Stadtkern von Weilheim angebracht. Dafür hat er eine aufwändige Technik angewendet, deren Ursprung im alten Ägypten liegt. Was steckt dahinter?

Der Maler und bildende Künstler Michael Wörle hat am Weilheimer Marienplatz ein lebensgroßes Madonnenbildnis an einer Hauswand geschaffen. Es zeigt eine junge Mutter mit Kind in schlichter Schönheit. In der neu verputzten Hausfassade wurde eigens dafür ein vertieftes Oval geschaffen, formal stimmig zu dem Thema und den beiden Figuren.

Die beiden Auftraggeber sind ebenfalls Altettaler. Brigita und Hans Schiessler wollten bei der Renovierung der Fassade ihres Hauses in der Weilheimer Altstadt eine bereits in den 1920 er Jahren vorhandene Mariendarstellung neu beleben. Sie wurde in der Vergangenheit entfernt und übermalt. Jetzt sollte das Haus am Marienplatz eine neue Madonna erhalten.

Mit dieser Vorstellung sind die beiden an Michael Wörle herangetreten. Der war sofort begeistert von dem Projekt, weil er einen Teil seiner Ausbildung am Lehrstuhl für christliche Kunst und Gestaltung an Kulträumen der Münchner Akademie der Bildenden Künste absolviert hatte. „Es ist eine seltene Gelegenheit, im öffentlichen Raum klassische Kunst schaffen zu können. Und gleichzeitig ist es eine große Herausforderung. Die Eigentümer, Bewohner und jeder Passant sehen das Gemälde und jeder hat einen Eindruck und eine Meinung dazu. Noch dazu wirkt es direkt in den öffentlichen Raum hinein. Ein Projekt dieser Art war auch für mich Neuland.“

Als Vorbild für die Wandmalerei diente die berühmte Darstellung Raphaels aus der Dresdner Gemäldesammlung, die sogenannte Sixtinische Madonna. Dieses Bild lag Brigita Schiessler schon seit Kindheit besonders am Herzen. Nun diente diese Darstellung als Inspiration für die Neugestaltung.

"Lüftlmalerei" wird diese Art der  Fassadenmalerei  in Oberbayern genannt. Seit der Barrockzeit besteht hier die Tradition Hausfassaden mit Heiligenfiguren und Dekor zu bemalen und prägt vielerorts das Stadt- und Dorfbild von Mittenwald bis München und darüber hinaus. Die Darstellung und Farbe der Wörle-Madonna fügt sich ins architektonische Ensemble der Weilheimer Altstadt und findet bei den Bürgern ein positives Echo und guten Zuspruch. Mit dem entstandenen Kunstwerk sind alle Beteiligten sehr zufrieden. Hans Schiessler zitiert den Beauftragten des Denkmalschutzes: „Raffael wäre sicher zufrieden gewesen“.

Michael Wörle sagt zu seinem Werk: „Ich habe die berühmte Madonna gespiegelt und für mich interpretiert. Sie bewegt sich nun, gemäß unserer Leserichtung, von links nach rechts, also aus der Vergangenheit kommend und jetzt, im Moment, in die Zukunft schreitend. Für mich ein zeitloses Bild des Ursprungs des Menschen und seiner ihm innewohnenden göttlichen Natur.“

Doch wie entsteht eigentlich so ein Bildnis? Vier Tage war Michael Wörle vor Ort und hat von einem Gerüst aus die Malerei erstellt. Doch das ist nur der Abschluss einer langen und aufwändigen Vorbereitung. Am Anfang stehen intensive Vorgespräche mit den Auftraggebern. Der Maler muss verstehen und ausbalancieren zwischen dem, was gewünscht ist und dem was ihm sein Kunstsinn und seine Kunstauffassung gebieten. Die Wirkung des Gemäldes aus verschiedenen Perspektiven will bedacht sein.

Dann folgt eine Serie von immer detaillierteren Entwürfen. Beginnend mit Entwurfszeichnungen, die das Motiv klären, über eine kleinformatige Farbskizze, die die Farbkomposition festlegt (zum Beispiel mit Öl oder Tempera), bis schließlich ein 1:1-Karton entsteht. In Originalgröße fertigt der Maler darauf eine exakte Zeichnung an. Sie leistet zusammen mit der Farbskizze später am Gerüst wertvolle Dienste. Zunächst wird jedoch dieser Karton perforiert, dabei werden die Linien sozusagen gelöchert. So kann die Zeichnung dann an der Wand mit Kohlestaub durchgepaust werden. Jetzt erst kann der eigentliche Farbauftrag beginnen.

Die angewandte Technik ist eine Silikatmalerei, die im 19. Jahrhundert neu entwickelt wurde. Ihr Ursprung ist aber viel älter, schon im alten Ägypten wurden Gemälde in ähnlicher Form gefertigt. Die Farbe besteht aus mineralischen Pigmenten in Kaliwasserglas, die beim Auftragen auf die Wand kristallisieren und dadurch eine Verbindung mit dem Untergrund eingehen. Im Gegensatz zur Fresco Technik wird auf den trockenen Putz, also "secco", gemalt.

Für den Maler ist es vor Ort wichtig, dass er möglichst präzise weiß was nacheinander zu tun ist. Je genauer die vorbereitenden Arbeiten sind, desto besser; für grundlegenden Experimente ist es nun zu spät. Der festgelegte Plan erfährt ohnehin unweigerlich Änderungen und Korrekturen, denn die Umgebung, ihre Farben und Formen, beginnen mit der entstehenden Malerei zu interagieren. Darauf muss der Maler in der letzten Stufe des Schaffensprozesses eingehen. Trotz aller Planung: die Entstehung eines solchen Bildes bleibt ein Abenteuer. Talent und Kreativität, solides Handwerk und Fleiß sind die Voraussetzungen, bis eine Lüftlmalerei entsteht.

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Bilder: Nils Paul, Text: Benedict Gross